
"Kinder wachsen. Eltern auch!"
Ja, erst durch das Leben mit einem selbsbewussten Kleinkind reflektiere ich erneut, was Weinen für uns eigentlich bedeutet....
Egal ob ein wenige Wochen alter Säugling, eine Heranwachsende oder ein Erwachsener - alle weinen in unterschiedlichen Momenten in unterschiedlicher Ausprägung. UND DAS IST GUT SO!
Dennoch ist uns ein Impuls antrainiert, diese heilsamen Tränen zu verstecken und schnellst möglich zu stoppen - es wird mit den Händen den Augen Luft zu gewedelt, es werden Schnullis verteilt
oder schnell ne Ablenkung von den wahren Gefühlen gefunden.
Ich rede hier nicht von Tränen, die der letzte Weg sind, anderen verständlich zu machen, dass hier ein sofort stillbares Bedürfnis kundgetan wird (zB Hungerweinen). Weinen kann viel mehr ein
Mittel des Stressabbaus sein, dass nichts weiter bedarf, als sich in Sicherheit fühlen zu dürfen und einfach nur zu weinen.
Häufig beobachte ich bei meiner Tochter diesen Impuls nach langen Kindergartentagen: Sie spielt fröhlich, ich komme um sie abzuholen und sie beginnt kurz aber heftig zu weinen. Erzieher stürmen
hinzu "Ach herje, was ist denn passiert? Will sie etwa nicht nach Hause?". Kinder kommen aus der Gruppe und fragen ob sie sich weh getan hat. Nein. Sie will einfach nur von mir gehalten werden,
weinen und mir auf ihre Art erzählen, dass der Kindergartentag für sie einfach anstrengend war.
Mein Mann macht das doch auch und keiner würde fragen, warum er nach hause kommt und nach einem sehr fordernden Arbeitstag am Abendbrotstisch einfach mal verbal "weint". Beide erzählen was sie
alles belastet hat - eben auf unterschiedlichen Sprachniveaus. Und warum sollte ich das stoppen. Es tut beiden gut. Sie weinen solange sie es brauchen, atmen tief durch und fühlen sich danach
deutlich befreiter.
Aber was passiert in mir selbst in diesen Momenten? Ja, ich bin in Alarmbereitschaft versetzt, mein Körper spannt sich an und ich verspüre den Wunsch zu helfen. Aber ist "es zu stoppen" eine
tatsächliche Hilfe, oder bringe ich meiner Tochter damit nur bei, dass es richtig ist, ihre intensiven Gefühle zu verleugnen damit ICH mich besser fühle?!?
Mein Kind musste ein Jahr alt werden, bis ich dieses andressierte Muster des "Bitte bitte hör auf zu weinen" bemerkte. Seit über zwei Jahren nun biete ich in untröstlichen Weinanfällen einfach
nur meine Präsenz und tatsächlich: der Impuls des "Trösten um jeden Preis" klingt nun seltsam absurd und ist kein Programm mehr, dem ich zwingend folgen muss. Mit größeren Kindern Alternativen zu
entwickeln bestimmte Situation zu deeskalieren, ist eine schöne Ergänzung, aber noch immer ist es für sie einfach wichtig mal loszulassen und zu Weinen. Und davon lerne ich - jeden Tag etwas
mehr!
Also erlauben wir unseren Kindern doch mal wieder das Weinen. Erlauben wir es uns selbst! Es tut hin und wieder überraschend gut ;)
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